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Warum sich Seelsorgerin Sibylle Hartong lieber „Soulmanagerin“ nennt

Ihr Namensschild hat Sibylle Hartong bereits auf den Begriff umgestellt, aber sie feilt noch daran, wie sie ihn künftig auch sprachlich mit einfließen lässt, wenn sie sich vorstellt. Hartong, Krankenhausseelsorgerin im Klinikum Osnabrück, will künftig, wenn es passend ist, Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen lieber als „Soulmanagerin“ entgegentreten und nicht mehr mit ihrer Berufsbezeichnung als Seelsorgerin.

Der tradierte Begriff werde, wie Hartong berichtet, vielfach nicht auf Anhieb positiv aufgenommen, sondern es gebe Unverständnis oder Desinteresse darauf. Die 1962 geborene Hartong gehört zum fünfköpfigen Team der ökumenischen Krankenhausseelsorge im Klinikum Osnabrück. Sie ist Grundschullehrerin, hat später den Masterstudiengang Theologie der Spiritualität abgeschlossen und vorher als Gemeindereferentin an mehreren Stationen im Bistum Osnabrück gearbeitet. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen vom „Seelsorge-Team“ sind überall im Klinikum im Einsatz, wohin sie gerufen werden.

„Mir scheint, dass es bei vielen Menschen erst einmal eine ,innere Frage‘ auslöst, was eine Kirchenfrau von ihnen will, wenn ich mich als ,Seelsorgerin‘ vorstelle – möglicherweise wird vermutet, dass der Patient oder die Angehörigen eine religiöse Frage oder ein Anliegen haben müssen oder dass ich danach frage“, beschreibt Hartong. „Aber darum geht es nicht. Meine bzw. die Hilfe unseres Teams ist darauf ausgerichtet, Patienten in ihrer Situation im Krankenhaus zu begleiten. Eine wichtige Aufgabe ist es auch, Sterbende und die Angehörigen zu unterstützen, damit es sich so würdig und natürlich wie möglich für alle Beteiligten gestaltet – und dass dabei jeder dazu kommt, seine eigene Trauer zu erfahren und auszuleben. Dabei spielen Konfessionen keine Rolle.“ 

Mit etwas Augenzwinkern will sie nun den englischen Begriff „Soulmanagerin“ mit einfließen lassen, um Widerstände aufzulösen oder ganz zu umschiffen. Entstanden ist das Wort in den Gesprächen mit einer Familie, die Hartong beim Sterben des Ehemanns und Vaters auf der Palliativstation begleitet und dabei gut kennengelernt hat.

Bei der Frau und den drei erwachsenen Kindern hatte die Krankenhausseelsorgerin davon abgesehen, sich mit ihrer Berufsbezeichnung vorzustellen. „Der Erstkontakt wurde über eine Kaffeerunde im Zimmer meines Vaters hergestellt“, erinnert sich eine Tochter. Bei ihr habe sich aber erst einmal das Gefühl eingestellt, dass eine Seelsorgerin bloß wegbleiben sollte, da die Familie keine kirchlichen Rituale gewollte habe.

„Wir waren sehr traurig, dass er gehen musste“, sagt die Ehefrau. „Anfangs auf der Palliativstation haben wir versucht, meinen Mann das nicht merken zu lassen und vor ihm die ,übliche‘ Fassade aufrecht erhalten, dass schon alles gut gehen würde“, beschreibt sie. „Sibylle Hartong hat uns darauf hingewiesen, dass auch der Erkrankte die Chance haben muss, sich zu verabschieden. Er spürt die Verschlechterung, kann aber bei ,zufrieden spielenden‘ Angehörigen nicht mitteilen, dass er selbst traurig ist, weil er von dieser Welt gehen muss.“

Ihr Hinweis sei ein Segen gewesen. „So haben wir noch ehrlich über alles sprechen und uns sagen können. Der Sterbende hat bis kurz vor seinem Tod durch Hand drücken gezeigt, wie tröstend und hilfreich die Offenheit und Ehrlichkeit für ihn ist.“ So ähnlich beschreibt es auch die Tochter. „In dem Moment, in dem Sibylle Hartong uns darauf gebracht hat, unser gegenseitiges Versteckspiel zu beenden, habe ich mich auf sie einlassen können.“ Sie habe Hartong dann gefragt, ob sie sich nicht anders als mit dem Begriff „Seelsorgerin“ vorstellen könne. Dabei sei die Idee entstanden, die Berufsbezeichnung auf „Soulmanagerin“ zu ändern.

Im weiteren Prozess habe die Familie dann gut Hinweise der Soulmanagerin zu wichtigen Fragen annehmen können, von denen bis zu dem Zeitpunkt niemand ahnte, dass sie wichtig waren. So sei die Familie von den Mitarbeitenden der Palliativstation ermutigt und unterstützt worden, ihr Familienleben auf der Palliativstation so weit wie möglich weiter zu leben. Nachdem die Ehefrau ins Zimmer gezogen war und die Kinder viele Stunden lang anwesend waren, hätten sie Gesellschaftsspiele gespielt, Musik gehört und die alten Zeltlagerlieder aus der Jugend des Erkrankten gesungen. Menschen, die ihm nahestanden, seien zum Abschiednehmen auf die Palliativstation eingeladen gewesen. Dabei sei ein natürliches und offenes Gespräch mit allen hilfreich gewesen und habe das Begreifen der Endlichkeit erleichtert.

„Sibylle Hartong hat in dem Prozess wahrgenommen, welche Bedürfnisse der Sterbende und welche wir Angehörigen haben. Durch ihre Erklärungen haben wir unser Verhalten angepasst und konnten den Abschied akzeptieren und zu einem inneren Frieden damit gelangen“, erklärt die Ehefrau. So habe sich nach der sehr intensiven Zeit auf der Palliativstation eine große Dankbarkeit entwickelt. Es sei ihnen möglich gewesen, sich im Abschied an das Schöne und Gute zu erinnern, was das Zusammenleben mit ihm als Ehemann und Vater ausgemacht habe.

„Auch wenn der Kopf weiß, jeder Mensch muss sterben, fällt es doch vielfach schwer, über Tod und Sterben zu sprechen. Zwischen Gefühlschaos, Verdrängung, Hilflosigkeit und Ängsten einen individuellen Weg zu suchen, um den Bedürfnissen des Sterbenden und der Angehörigen gerecht zu werden, ist die Unterstützung der Soulmanagerin ein großes Geschenk“, sagt sie.

Hartong ergänzt, dass jeder Mensch seine eigene Würde hat, die er auch und gerade auf dem Weg des Sterbens behält, zeigt und lebt. Die Angehörigen brauchen diesen Blick auf ihre Situation und bekommen dadurch mehr Gelassenheit, den Lebensweg ihres erkrankten oder sterbenden Angehörigen zu begleiten. Das Sterben geschieht nämlich mal alleine, mal begleitet im Beisein von Anderen. Da gibt es kein „So muss/sollte es sein“. Es ist immer etwas sehr Eigenes.

Seelsorge


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