Zur Orthopädietechnik – Leitmesse und Kongress kamen Orthopädietechniker, Mediziner und Therapeuten aus 86 Ländern bei 440 Ausstellern und 300 Referenten vom 10.-13. Mai 2022 nach Leipzig.
An der Rückkehr zum persönlichen Austausch hatten die Kongresspräsidenten Prof. Dr. Martin Engelhardt (Klinikum Osnabrück) und Dipl.-Ing. Merkur Alimusaj (Orthopädische Uniklinik Heidelberg) mit dem Programmkomitee zwei Jahre gearbeitet. Die Themenschwerpunkte reichten von der Sportorthopädie/Behindertensport bis Kinderorthopädie, von Ausbildung bis zu Zukunftsvisionen sowie von Handwerk bis Grundlagenforschung. Dazu wurden an vier Kongresstagen mit sechs Parallelveranstaltungen Keynote-Vorträge, Symposien, Satellitenveranstaltungen, Interdisziplinäre Leuchttürme, Vortragsblöcke aus freien Einreichungen, praxisorientierte Kurse sowie Werkstattgespräche vorbereitet.
Internationalität und Vernetzung in einer globalisierten Welt unerlässlich
Den Kongresspräsidenten ging es bei dem in Deutsch/Englisch simultan übersetzten Kongress neben dem internationalen Austausch (jeder dritte Besucher kam aus dem Ausland) auch um die Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten. Das Ringen um die beste Versorgungsqualität bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen und nach Verletzungen gelingt nur in interdisziplinärer Teamarbeit von Orthopädietechnikern, Ärzten und Therapeuten.
Keynotespeaker mit herausragenden Forschungsansätzen
Prof. Dr. Oskar Aszmann und Dr. Agnes Sturma (Wien) stellten die neuste Forschung zu Targeted Muscle Reinnervation (Übertragung ungenutzter Nerven auf den Stumpf) und Osseointegration (direkte Verankerung der Prothesen im Stumpf) am Beispiel der Amputationen oberhalb des Ellenbogens vor. Prof. Dr. Sami Haddadin (München) berichtete über den Einsatz maschineller Intelligenz zur Verbesserung von Prothesen. Der selbst eine bionische Prothesenhand tragende Prof. Dr. Bertolt Meyer (Chemnitz) demonstrierte die Vorteile der Digitalisierung für Querschnittsgelähmte durch Steuerung von Hilfsmitteln per Blickbewegungserkennung (Eye-Tracking). Prof. Kenton Kaufmann (Minnesota) erläuterte den Nutzen der Registerforschung für Gliedmaßenverlust- und erhaltung.
Aus-, Fort- und Weiterbildung für hohes Versorgungsniveau unerlässlich
In den vergangenen Jahrzehnten wurde die ärztliche Aus-, Fort- und Weiterbildung sowohl in der Amputationschirurgie als auch in der konservativ-technischen Orthopädie fahrlässig vernachlässigt. Expertise besteht nur noch rudimentär. Techniken, die die Lebensqualität von Patienten deutlich verbessern könnten, geraten in Vergessenheit. Damit droht Know-how, das die Versorgung im deutschen Gesundheitswesen zu einem der besten in der Welt gemacht hat, verloren zu gehen. Der Weltkongress der OT World, der unter der Beteiligung von 20 internationalen Fachgesellschaften durchgeführt wurde, zählt zu den führenden Orthopädie-Kongressen. In Leipzig findet auf einem sehr internationalen Niveau konservativ technische Fortbildung statt. Ohne Tunnelblick und immer in interdisziplinärer Perspektive.
Fazit
Die Orthopädietechnik sowie die konservative Orthopädie und Sportorthopädie werden in der Medizinausbildung vernachlässigt. Sie sind jedoch für unsere Patienten von hohem Wert, da sie die Lebensqualität der Menschen deutlich verbessern können. Wenn Deutschland die führende Stellung in der Welt auf diesem Gebiet behalten will, muss mehr in die Ausbildung investiert werden.
Die Pandemie und die digitale OT World 2020 haben die Digitalisierung der Unternehmen und aller Beteiligten befeuert und gezeigt, dass wir in Deutschland mit Problemlagen konstruktiv umgehen können. Digitale Formate haben jetzt auch die OT World 2022 ergänzt. Die OT World 2022 hat uns jedoch auch gezeigt, dass der persönliche Austausch, der Messebesuch und die sozialen Kontakte mit Kollegen(innen) aus dem In- und Ausland unverzichtbar sind. Von der Messe sendeten die Kongresspräsidenten auch eine Botschaft für den Frieden in der Welt aus: Welten verbinden (das Kongressmotto der OT World) in einer spannungsgeladenen Zeit, ist zunächst einmal eine Verpflichtung, Brücken zu bauen für den Frieden. Dazu kann auch eine OT World durch Gespräche und Kontakte mit den Kollegen in den Ländern beitragen.
Die nächste OT World findet vom 14.-17. Mai 2024 mit den Kongresspräsidenten Prof. Wirth (Stuttgart) und Ingo Pfefferkorn in Leipzig statt.
Prof. Dr. med. Martin Engelhardt, Osnabrück
Kongresspräsident OT World 2022