Sorgen und Nudeln haben etwas gemeinsam....
„Von zwei Dingen macht man sich immer zu viel: Sorgen und Nudeln“ sagt der Mitarbeiter vom Patientenbegleitdienst im Fahrstuhl. Es ist Montagmorgen. Hatte er frei am Wochenende? Ja, sagt er und erzählt: „Ich komme wirklich gerne zur Arbeit. Ich habe mir einen Satz angewöhnt für die Patient*innen, die ich hier meist im Bett begleite, schiebe, zu den Untersuchungen und OP‘s und die mich so oft in ihren Sorgen fragen, was denn nun wohl wird. Dieser Satz mit den Nudeln bringt immer alle zum Lachen und: entspannt – auch mich.“ Lacht mich an und sagt: „Am Wochenende brauchte ich ihn mal zwei Tage nicht zu sagen.“
Auch ich muss lachen, sofort. Und denke: Menschen mit Sorgen, Ängsten, Unsicherheiten, Fragen gibt es viele hier im Krankenhaus. Wer hat Zeit für Gespräche oder Antworten, bei denen der Patient, die Patientin zu seinen und ihren inneren Fragen vordringen kann? Wer unterstützt diese Patienten in diesem „Zwischenraum“ ihres Lebens?
Als Seelsorgerin gehören zu meinen Aufgaben diese „Angebote“: zuhören, dasein, warten, schweigen, begleiten, Resonanzräume öffnen. Mir wird zur Zeit wichtiger, die Bedürfnisse der Patient*innen oder der Mitarbeitenden zu erkennen und zu bemerken: Was wird „benötigt“?
Dazu gehört dann: der Kaffee für die Angehörigen, die im Wartebereich sitzen, der Kopfhörer für die ältere Dame, die sonst nichts hört vom TV. Das Besorgen einer bunten Zeitschrift – gegen die Langeweile im Patientenzimmer. Sich dazusetzen im Wartebereich vor der Intensivstation. Die geöffnete Tür zu meinem Büro. Oder eben das Gespräch mit dem Mitarbeiter im Fahrstuhl.
Für mich sind diese Begegnungen genau die, die mich fordern. Es sind leise spirituelle Äußerungen meines Gegenübers, auf die ich eine Antwort gebe. Eine Antwort, die sich zeigen wird, die diese Situation des Lebens unterstützt oder Neues sich eröffnen lässt. Es geht darum, Menschen zu sehen in ihrer Suche und Not, in ihrer Abhängigkeit, in ihrer Erschöpfung, in ihrer Sorge.
Sehen, das ist eine Aufgabe, nicht nur für mich als Seelsorgerin. Es braucht und hat viele unterschiedliche Akteure in diesem System Krankenhaus, die diese spirituelle Dimension des Menschen, des Menschseins, wieder in den Blick nehmen.
Der Mitarbeiter aus dem Fahrstuhl hat es klar und macht es: er antwortet. Jeden Tag.
Sibylle Hartong