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Betty lebt! Dramatische Lebensrettung während des Lockdowns

Betty im Juli 2020 Foto: Ulrich Coppel

Betty und ihr Vater Mekonnen am Tag der Aufnahme im Klinikum Osnabrück am 21.03.2020, zusammen mit Klinikpersonal. Foto: Ulrich Coppel

Betty und ihr Vater Mekonnen bei der Ankunft in der Notaufnahme des Klinikums Osnabrück am 21.03.2020. Foto: Ulrich Coppel

Diese dramatische Rettungsaktion wird wohl keiner der Beteiligten jemals vergessen. Wären die enormen Komplikationen, die dieser Fall mit sich mitbrachte, von vornherein bekannt gewesen, dann hätte er wohl nicht stattgefunden. Dann wäre die 26 jährige Eritreerin Bethlehem Mekonnen-Tekeste (Betty) sicher bereits vor Monaten unter schrecklichen Qualen verstorben. Dass ihr das erspart blieb, und dass sie nun endlich sogar die besten Aussichten hat, irgendwann wieder ein ganz normales Leben führen zu können, hat sie einer ganzen Reihe von professionellen und ehrenamtlichen Helfern zu verdanken, allen voran den Experten am Klinikum in Osnabrück, die ihr gleich mehrfach das Leben retteten.

Übereinstimmend diagnostizierten eritreische und Osnabrücker Ärzte um den Oberarzt am Klinikum, dem Neurologen Dr. Volker Schulte, und dem Leiter der Neurochirurgie, Dr. Holger Schnippering bereits im Januar einen massiven Hydrocephalus - einen Wasserkopf. Der natürliche Liquorabfluss, hinein in den Rückenmarkskanal, war verschlossen. Immer mehr der wässrigen Flüssigkeit drückte auf Bettys Gehirn. Akute Lebensgefahr, und die Gefahr massiver Hirnschäden befanden eritreische und Osnabrücker Ärzte übereinstimmend. Am Wahrscheinlichsten schienen dies Spätfolgen eines Autounfalls in Bettys Jugend zu sein, befand man aufgrund der vorliegenden Aufnahmen des Gehirns. Nur eine dringende kleine Notoperation, die Anlage eines Shunts, einer künstlichen Drainage aus dem Kopf hinein in den Bauchraum, war aufgrund der damals vorliegenden Datenlage, das einzige Mittel, Bettys Leben retten zu können. Doch in Eritrea gibt es dafür keine Expertise, wie sich sehr schnell herausstellte. Bereitwillig öffnete das Klinikum Osnabrück die Pforten für Betty, ausgestattet mit einer Zusage des Fördervereins, die Behandlungskosten teilweise zu übernehmen. Mittels Spendengeldern aus dem „Freibettenfonds“ kann das Klinikum einzelnen, sorgfältig geprüften Fällen von jungen Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten dringend benötigte medizinische Hilfe zuteil werden lassen.

Nach einem beschleunigten Ausreiseantragsverfahren ergaben sich für Betty und ihren Vater als Begleiter unmittelbar vor dem ersehnten Reiseantritt noch tagelange weitere Verzögerungen. Die Airline weigerte sich, die beiden aufgrund des ab dem 17. März 2020 coronabedingten Einreisestopps für Nicht-EU Staatsangehörige zu befördern. Jedoch waren an genau diesem 17.3. die Einreisevisa ausnahmsweise und aus triftigen, medizinischen Gründen ausgestellt worden, und damit gültig. Der sofort darauf von Freunden in letzter Sekunde noch ergatterte 6.300 Euro teure Flug, der eigentlich am 18.3. hätte stattfinden sollen, musste wegen der Weigerung der Airline zwei mal verschoben werden. Früh morgens traf Betty am 21. März zusammen mit ihrem Vater Mekonnen mit der letzten Verbindung, die vor der Einstellung des Linienflugverkehrs von Eritrea nach Deutschland noch ging, am Frankfurter Flughafen ein. Auch für das Klinikum war dies der letztmögliche Zeitpunkt; Dort mussten alle nicht dringenden Operationen verschoben werden. Kein Zweifel: Bettys Zustand war lebensbedrohlich. Und eine Verschiebung war nicht zu verantworten. Jedoch stellte das Klinikum zu diesem Zeitpunkt seine Kapazitäten um. Dr. Schulte war gerade die Leitung der neu eingerichteten COVID19-Intensivstation im Klinikum übertragen worden. 

Ulrich Coppel, ein Münsteraner Musiker, Journalist und Freund der Familie, der den Kontakt zwischen dem in Münster lebenden Neurologen Dr. Schulte und Bettys Familie hergestellt hatte, fuhr Betty und ihren Vater sofort nach der  Ankunft vom Flughafen Frankfurt ins Klinikum Osnabrück.

Bald bestätigte sich mittels eigener Diagnostik die bekannte Hydrocephalus-Diagnose. Aber für dessen Grund fand man in Osnabrück nun eine neue, schlüssige Erklärung: Eine Art Blutschwamm verschloss den natürlichen Liquor-Abfluss. Dieser war auf den technisch in geringerer Auflösung zuvor in Eritrea erstellten computertomographischen Bildern nicht zu sehen, und deshalb weder eritreischen, noch Osnabrücker Ärzten ersichtlich.

Doch dem Team um Neurochirurg Dr. Schnippering gelang es, mit einer erheblich längeren als den ursprünglich geplanten, 4 1/2 Stunden OP den Blutschwamm zu entfernen, und damit den natürlichen Liquor-Abfluss wieder herzustellen. Ein Shunt war nicht mehr nötig.   

Zugleich war dies, in unerwarteter Weise, jedoch erst der Beginn einer monatelang andauernden Kette schwerster Komplikationen. Schnell stellte sich nämlich heraus, dass Betty ihr komplettes Kurzzeitgedächtnis verloren hatte. Sie wusste nicht mehr, dass sie in Deutschland längst angekommen, und die ersehnte OP bereits stattgefunden war. Ihr Vater und Ulrich Coppel durften sie aufgrund der Corona-Hygiene Vorschriften nicht am Krankenbett besuchen. Das sich geradezu aufopfernde Klinik-Personal kommunizierte in einer für Betty fremden Sprache, und kam in Schutzkleidung und Masken zu ihr. „Ich glaube, ich bin in einem Hotel in Italien“ erklärte Betty Ulrich Coppel in einem der seltenen Video-Telefonate. Dies war die einzige Möglichkeit für sie, mit ihren Vater und den in Deutschland lebende Verwandte und Freunde zu kommunizieren. Betty kannte diese Technik zuvor in Eritrea nicht, und so waren Gespräche nur möglich, wenn ihr die Pflegerinnen und Pfleger das Telefon ans Ohr gaben. 

Doch damit nicht genug: Aufgrund der monatelangen Hirnüberdruck-Situation war die Hormonproduktion in der Spitze ihrer Hirnanhangdrüse komplett ausgefallen. Zwar bestand die Aussicht, dass sich dieses mit der Zeit wieder erholen würde, doch muss dies genau überwacht, und medikamentös eingestellt werden. Auch dafür gibt es in Eritrea keine Experten. Und dann entzündete sich Bettys Gehirn in den Wochen nach der Operation auch noch dreimal nacheinander. Jede einzelne dieser Komplikationen war absolut lebensbedrohlich. Jede einzelne dieser Komplikationen bekamen die Profis im Klinikum wieder in den Griff - bis auf die Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Das Gehirn benötigt eine längere Zeit, vom Eingriff, der ein 100 % Erfolg war, bis zur Erholung. Damit dies möglich wird, braucht Betty gezielte neurologische Rehabilitations-Maßnahmen. 

Immer noch nicht genug: Am Abend ihrer Entlassung aus dem Klinikum, setzten plötzlich massive Verwirrtheitszustände ein, die einen erneuten Klinikaufenthalt forderten. Der monatelange massive Stress, ihre Todesangst, und der wochenlang anhaltende komplette Orientierungsverlust, forderten ihren Tribut. Und auch das bekamen die Ärzte im Klinikum mit der Zeit medikamentös wieder in den Griff. Seit ihrer letzten Entlassung betreut der Osnabrücker Psychiater Dr. Alexander Leeb sie ambulant: pro bono. Genau wie die Ergotherapeutin Karin Eckenbach aus Bad Sassendorf, und die Ibbenbürener Kinesiologin Renate Vornhusen. 

Betty wird aus medizinischen Gründen noch für einige Zeit in Deutschland bleiben müssen. Schlimmstes Heimweh plagte sie während ihrer furchtbaren Zeit völliger Entwurzelung und Schmerzen. Doch nun fasst Sie wieder Mut, und blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Seit Anfang Juni besteht keine unmittelbare Lebensgefahr mehr. Ihr Zustand stabilisiert sich nach und nach. 

„Ich danke jedem Einzelnen, der sich für mich eingesetzt hat. Allen voran den Ärzten und Pflegern im Klinikum in Osnabrück, die mein Leben mehrfach gerettet haben“, meint Betty, und wischt sich währenddessen Tränen des Glücks und Dankbarkeit aus ihren Augen.

Doch nun ergibt sich ein anderes Problem: Die Behandlungskosten sind trotz des aufopfernden, und zum Teil auch ehrenamtlichen Engagements, natürlich erheblich höher, als ursprünglich geplant. Um diese Lücke hoffentlich schließen zu können bitten Angehörige und Freunde die Öffentlichkeit um Spenden an den Förderverein des Klinikums ( IBAN DE91265501051551148057  Verwendungszweck: Betty)

Auch die in Frankfurt und Köln lebenden Deutsch-Eritreer Vivian Berhane, Fithawie Habte und Aman Kubrom wollen in den Netzwerken der eritreischen Diaspora-Community Spenden zu Gunsten des Fördervereins sammeln. Durch sie kam die Idee eines gemeinsamen Spendenaufrufes von Deutschen und Diaspora-Eritreern. „Durch selbstlosen Einsatz einer Vielzahl von Menschen ist es möglich geworden, Bettys Leben zu retten. Lasst uns dafür sorgen, dass der Förderverein in Zukunft noch vielen weiteren mittellosen jungen Menschen so essenzielle Hilfe zu Teil werden lassen kann, wie Betty“.


PRESSEKONTAKT

Silvia Kerst 
Leitung Marketing/Kommunikation
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